Milieuschutzgebiete in Steglitz-Zehlendorf – Vorsorge statt Nachsorge

1.06.2016

In den vergangenen Jahren hat das Abgeordnetenhaus von Berlin einige Maßnahmen gegen die Auflösung der berühmten Berliner Mischung ergriffen. Der Neubau von Wohnungen ist dabei die stärkste Ressource. Nicht an jeder Straßenecke gibt es freie Flächen, sodass wir weitere Lösungsansätze brauchen, die vor allem bei bereits bestehenden Gebäuden nutzen.

In einigen Gegenden in Berlin, besonders innerhalb des S-Bahnrings ist eine Gentrifizierung, also Verdrängung einer bestimmten Bevölkerungsgruppe aus einem Kiez, vermehrt zu beobachten. Um zu verhindern, dass dies aufgrund von Luxus-Sanierungen und Umlage auf die Mieterinnen und Mieter geschieht sowie durch die Umwandlung von Mietobjekten in Eigentumswohnungen, gibt es ein weiteres Instrument in der Wohnungspolitik: den Milieuschutz.
Dabei geht es darum, die Hürden zu erhöhen. Wird ein Gebiet unter Milieuschutz gestellt, bedarf es für umfassende Modernisierung oder eben einer Umwandlung einer Miet- in eine Eigentumswohnung, einer besonderen Zustimmung des Bezirks.
Einige Bezirke haben bereits solche Milieuschutzgebiete eingerichtet. Auch die Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf hat im letzten September auf Antrag der SPD-Fraktion beschlossen, dass das Bezirksamt eine Voruntersuchung für sechs Gebiete im Bezirk* initiieren soll, die anhand einiger Indikatoren aussagt, ob ein Gebiet für den Milieuschutz geeignet ist.
Das Stadtplanungsamt hat nun erste Ergebnisse präsentiert. Hierfür hat man einzelne Bezirksteile auf verschiedene Faktoren untersucht: Welche Veränderungen gab es an Wohn- oder Gebäudestrukturen - also beispielsweise Modernisierung und Mietsteigerungen - und die Sozialstruktur - Wie viele Transferleistungsempfänger gab es und gibt es und wie viele junge Menschen ziehen aus dem Gebiet weg.
Das Ergebnis der ersten Untersuchungen zeichnet für Steglitz-Zehlendorf keinen Zusammenhang zwischen einer hohen Anzahl an Modernisierungen und der Veränderung der sozialen Zusammensetzung der Kiez-Bewohner.
Das heißt, es gibt Planungsräume, die Auffälligkeiten hinsichtlich einer veränderten Wohn- und Gebäudestruktur aufweisen, gleichzeitig aber keine sozialstrukturelle Auffälligkeit. Andersherum genauso: es gibt Planungsräume, die Aufmerksamkeitsbedarf haben in der Sozialstruktur, aber keine hohe Zahl an Sanierungen am Bestand oder ähnlichem festzustellen ist. Keines der Gebiete hat einen hohen Aufmerksamkeitsbedarf in beiden Gruppen gleichzeitig.

Im Detail weisen einzelne untersuchte Gebiete erhöhte Zahlen für Veränderungen im Kiez auf, die eine genauere Beobachtung zur Folge haben sollten.
In der Schloßstraße beispielsweise gibt es eine hohe Zahl von in Eigentum umgewandelten Mietwohnungen. Das Fischtal ist das einzige Gebiet, das zwei Veränderungen aufweist: Umwandlung in Eigentum und steigende Mietpreise.
Betrachtet man die sozialen Kriterien, so weist allein die Bismarkstraße eine sehr signifikante Veränderung in der Anzahl der Transferleistungsbezieher auf.

Auf den ersten Blick scheint es nun also, dass wir im Bezirk keinen Bedarf an Milieuschutz haben. Denkt man aber weiter, muss auffallen, dass vor allem in Umwandlung und Verkauf von Mietwohnungen zwei Hinweise liegen, dass sich die Bewohnerstruktur verändert und verändern wird.
Dass Steglitz-Zehlendorf von einer Gentrifizierung noch nicht oder nur in geringem Maß betroffen ist, heißt nicht, dass wir auf diesem Feld nichts zu tun haben. Denn im Baugesetzbuch ist vermerkt, dass der Bezirk eine Genehmigung auch dann versagen kann, wenn nicht nur unmittelbar die Mieter verdrängt werden, sondern es reicht, wenn langfristig die Gefahr besteht, dass die Zusammensetzung der Kieze sich auflöst zu Lasten einer bestimmten Schicht.
Dass Modernisierungen notwendig sind, ist selbstverständlich. Aber wir wollen verhindern, dass dies zulasten der Mieterinnen und Mieter und zulasten eines Kiezes gehen.
Jeder Kiez hat seine gewachsene Struktur. Jeder Kiez hat an seine Bewohner angepasste Infrastrukturen. Das müssen wir erhalten.
Der Milieuschutz ist also ein Instrument, das auch mittel- und langfristig Vorsorge treffen kann, damit es in unserem Bezirk zu weniger Verdrängung in den Kiezen kommt!
Ich unterstütze deshalb den Vorstoß der SPD-Fraktion in der BVV und bin der Meinung, dass in diesem Fall Vorsorge besser ist als Nachsorge!
Deshalb werden wir in der Landespolitik stets im Gespräch bleiben mit den Bezirken. Zusammen arbeiten wir im Interesse des Bürgers daran, den Milieuschutz effektiv anzuwenden.
Damit auch die Steglitzerinnen und Steglitzer in ihrer gewohnten Umgebung wohnen und leben können.

Ihr Andreas Kugler

*folgende Gebiete hat die BVV zur Prüfung auf die Möglichkeit des Milieuschutzes vorgesehen:

Lepsiusstraße, Schildhornstraße, Filandastraße, Albrechtstraße

Lauenburger Platz - Sachsenwaldstraße, Altmarkstraße, Bergstraße, Schönhauser Straße

Augustaplatz - Hindenburgdamm, Gardeschützenweg, Drakestraße

Sundgauer Straße zwischen Mühlenstraße und Schlettstadter Straße

Lichterfelde Ost - Blanckertzweg, Hildburghauser Straße, Scheelestraße, Osdorfer Straße

Bruno-Taut-Siedlung (Papageiensiedlung)

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